Am Wochenende vom 11.11. bis 13.11 fand in Brüssel der “BAC21: Energy and Open Hardware”-Workshop statt, an dem ich auch teilnahm. Hier nun mein Bericht dazu.
Vorgeschichte: Im Spätsommer 2015 fand für 5 Wochen das InnovationsCamp POC21 im Chateau de Millemont nahe Paris statt, dessen Ziel es war, in diesen 5 Wochen 100 Maker, Designer und Innovatoren zusammenzubringen, um ein Proof of Concept einer nachhaltigen Gesellschaft zu entwickeln.
Das POC21 war ein in dieser Form bislang einmaliges Event, aber es war auch gleichzeitig ein Aufbruch, bei dem gewissermaßen eine Saat gelegt wurde, die nun zu spriessen beginnt. Insofern kann der BAC21-Workshop in Brüssel als ein Follow-Up Event betrachtet werden, an dem einige der POC21-Projekte und -Teilnehmer mit vertreten waren, nebst weiteren Personen, wie zB. mir, sowie einigen OpenHardware-Akteuren und Ingenieuren aus dem lokalen Brüsseler Fablab- und Hochschul-Umfeld. Auch wurde die Veranstaltung zum Teil aus Mitteln des POC21-Budgets finanziert.
Um den verfügbaren Zeitraum des Workshops möglichst effektiv zu nutzen wurde der Fokus hier a priori auf OpenHardware-Energy-Projekte gesetzt. Einige der POC21-Projekte und auch andere nachhaltige OpenHardware-Projekte haben auf die eine oder andere Weise etwas mit Energie-Gewinnung und -Speicherung zu tun, so dass es sinnvoll erschien, die Aufmerksamkeit auf Überschneidungen und Gemeinsamkeiten zu richten, sowie auf sich daraus ergebende Zielsetzungen und einen allen gemeinsamen Bedarf.
Daraus sollte nun ein strategischer Ansatz geformt werden, bei dem vor allem eines im Vordergrund steht: Eine (länderübergreifende) Kollaboration, bei der die individuellen Kräfte und Fähigkeiten der einzelnen Teams optimal gebündelt werden.
Deswegen bestand ein wichtiger Teil des Workshops zunächst darin, ein theoretisches Rahmenwerk zu schaffen und sich auf gemeinsame Grundlagen und Standards zu verständigen. So wurde z.B. evaluiert, welche Arten von Steckverbindungen für unsere Zwecke besonders geeignet sind. Dazu hatten die Teilnehmer mehrere in Frage kommende Produkte mitgebracht, die nun auf ihre besonderen Stärken und Schwächen hin analysiert und gegenübergestellt wurden, als da wären Leistung (wieviel Ampere), Safety-Aspekte, Funktionalität (HotPlug) und natürlich auch Verfügbarkeit und Preis.
Aber abgesehen von solchen schon sehr ins Detail gehenden Fragestellungen stand vor allem auch ein übergeordnetes Konzept mit dem Arbeitstitel “Open Source Energy Mesh” im Raum. Dabei geht es um die Idee eines dezentralen und intelligenten Niedervolt-Gleichstrom-Netzes, welches speziell für den Einsatz zusammen mit erneuerbaren Energien entwickelt und entsprechend optimiert werden soll.
Etwas Ähnliches wurde schon mal vor 3 Jahren von Alex Shure bei OpenSourceEcology Germany unter dem Projektnamen “DiVER” vorgeschlagen und grob umrissen und erst kürzlich von ihm nochmal überbearbeitet und verfeinert – es trägt seitdem die Bezeichnung “Open NanoGrid”.
In die gleiche Richtung geht auch der Ansatz, den Martin vom LibreSolar-Projekt auf dem BAC21 vorgestellt hat. Genauer gesagt hat er mehrere Varianten und Ausgestaltungen von OpenSource-EnergyMesh-Topologien gegenübergestellt und die jeweiligen Vor- und Nachteile beleuchtet, so dass in der anschliessenden Gruppendebatte herausgearbeitet werden konnte, was nun als gemeinsamer Standard favorisiert wird. Konkret handelt es sich dabei um eine Signalbus-Topologie, bei welcher insbesondere auf Seiten der Stromquellen (Akku, PV) durch vorgeschaltete DC/DC-Konverter eine Unabhängigkeit von verschiedenen Spannungsbereichen erreicht werden kann. Das Netz hätte dann eine einheitliche Spannung im Bereich um 48V.
Da es sich um ein intelligentes Grid handelt, müssen sowohl Quellen als auch Verbraucher dezentral miteinander kommunizieren können (damit auf dem Bus ein intelligentes Last-Ausgleichs-Management und Priorisierung erfolgen kann).
Hierzu wurden gemeinsam verschiedene Datenübertragungs-Protokolle und Bussysteme untersucht und verglichen. Als aussichtsreichster Kandidat wurde dann der CAN-Bus eingestuft, weil er ausser einer hohen Datenübertragungsrate auch ein hohes Maß an Robustheit bietet (und deshalb zB. auch oft in der Auto-Elektronik eingesetzt wird).
Am Anfang des Events wurden die verschiedenen Projekte, deren Betreiber hier als Teilnehmer erschienen waren, vorgestellt bzw. ein Überblick bezügl. des aktuellen Entwicklungsstandes gegeben.
Ich selbst (Oliver) hatte meine Zink-Luft-Zelle und die Solarbox dabei, sowie noch eine neue, kleinere Solarbox, die ich just kurz vorher noch anlässlich des Events schnell zusammengeschraubt hatte.
Ausserdem waren u.a. noch die Projekte Velo M^2 (Florent, Tom, Yannick), Sunzilla (Laurin) und LibreSolar (Martin) vertreten.
Wenn man diese Projekte nebeneinander betrachtet, erkennt man als Gemeinsamkeit den Bedarf nach einer brauchbaren OpenHardware-Laderegler-Technik, mittels der man zB. auch Lithium-Akkus balancieren kann. Auch im Hinblick auf das OpenEnergy NanoGrid besteht hier ein starker Bedarf (nämlich um solche Akkus als Stromquellen innerhalb des Netzes sicher betreiben zu können).
Es bietet sich daher an, hier den Hebel anzusetzen und den ersten Schritt zu machen und genau das tut Martin mit dem LibreSolar-Projekt, welches u.a. die Entwicklung eines 48V-BMS zum Gegenstand hat.
Davon gab es denn auch bereits die allerersten PCB-Prototypen zu sehen, sozusagen noch warm und frisch aus der Schmiede, aber bereits up-and-running. Es handelt sich dabei um ein modulares System, bestehend aus einem Balancer-Board, welches nebst einer STM32F072 32-Bit CPU und einem BQ67940-Balancerchip auch noch ein CAN-Interface mit integriert hat, sowie einem separaten Leistungsmodul, welches das Be- und Entladen des Akkus mittels N-Channel-Mosfets in High-Side-Konfiguration regeln kann.
Dieser Laderegler ist vergleichbar mit dem SBMS4080, welches ich in der SolarBox verwende, bietet im Gegensatz dazu aber noch den entscheidenden Vorteil, 48V zu können.
Das ganze Event fand auf mehrere Locations (nacheinander) verteilt statt, was den Teilnehmern ermöglichte, ein paar der Brüsseler FabLabs kennenzulernen (welche untereinander gut vernetzt sind), einschliesslich des Velo M^2, welches u.a. auch als eine Art mobiles Micro-FabLab fungieren kann.
Seinen Ausgangspunkt nahm das Event zunächst am Freitag im OpenFab, einem der ersten FabLabs in Brüssel. Es wird von Nicolas und Xavier betrieben und bietet eine gemütliche Atmosphere sowie eine reichhaltige Fablab-typische Ausstattung. Hier erfolgte die Vorstellung der Projekte und ein Einstieg in den theoretischen Teil.
Der Samstag war mehr dem praktischen Teil gewidmet, denn es sollte natürlich auch konkret an den Projekten herumgeschraubt (oder besser gesagt: an Detailproblemen gearbeitet ) werden können.
Dazu begaben wir uns in die Micro-Factory von Gilles und Rupert, welche mit rund 800qm viel Platz bietet und u.a. einen eigenen Holzbearbeitungs-Bereich und einen Metall-Bereich beinhaltet, beide sind auch mit einem umfassenden Maschinenpark ausgestattet.
Natürlich war (wie immer bei solchen Gelegenheiten) die Zeit viel zu kurz um alle geplanten Arbeiten zu schaffen, aber das tat dem Vergnügen keinen Abbruch. So wurde u.a. am DC-Wandler des Generator-Moduls vom Velo M^2 gearbeitet. Der Generator ist Bestandteil einer Vorrichtung, in welche man auf einfache Weise ein Fahrrad einspannen und dann damit Strom erzeugen kann – bei einem fleissigen Radler bis zu 100W Leistung. Das scheint auf den ersten Blick nicht soviel zu sein, macht aber durchaus Sinn im Rahmen einer mobilen Anwendung, z.B. kann man damit den Strom für eine Kinovorführung generieren.
Am Sonntag fand dann noch ein Meeting bei Hackistan statt, in der Galeria Ravenstein. Letztere ist ein architektonisch imposantes Gebäude mit einer shopping-mall-Passage, welche in einen mehrstöckigen Rundbau mit Lichtkuppel mündet, alles in Sandstein- und Marmor-Optik gehalten.
Hackistan ist eine weitläufig vernetzte Gruppe mit vielseitigen Inhalten und Projekten, deren gemeinsamer Nenner ökologische Nachhaltigkeit ist, ähnlich wie bei OSE. Bei der Location in der Galeria Ravenstein handelt es sich nicht direkt um ein FabLab im herkömmlichen Sinne, sondern die Räumlichkeiten können auch als Showroom oder für Präsentationen und Seminare genützt werden. Gleichwohl kann durch Zusammenstellen der Arbeitstische aber auch eine größere zusammenhängende Arbeitsfläche geschaffen werden, die durchaus auch für kleinere Arbeiten wie zB. im Rahmen unseres Elektronik-Workshops geeignet ist.
Dabei wurden die letzten Stunden nochmal ausgiebig dazu genutzt, den theoretischen Teil zu vertiefen und auszubauen, so dass man schliesslich mit dem guten Gefühl nach Hause fahren konnte insgesamt einen großen Schritt voran gekommen zu sein und gleichzeitig die Weichen für die weitere übergreifende Zusammenarbeit gestellt zu haben. Ein nächstes Treffen wurde für das kommende Frühjahr verabredet.
Abschliessend möchte ich mich noch bei Yannick bedanken, der viel Arbeit darein gesteckt hat, das ganze Event zu organisieren . Yannick ist gewissermaßen eine souveräne Kraft und ein ruhender Pol im Hintergrund, bei dem alle Fäden zusammenlaufen und der dafür gesorgt hat, daß der ganze Ablauf des Events gut funktioniert hat und ausgewogen war. Denn ausser den rein technischen Veranstaltungen gab es auch noch ein bischen Rahmenprogram, also etwa Besuche in angesagten Szene-Pubs und Bistros, untermalt von interessanten Infos über die Stadt Brüssel an sich und insbesondere über die lokalen Zusammenhänge der dortigen FabLab- und OpenHardware-Szene.