Kürzlich bin ich über einen Begriff gestolpert, den ich noch nicht kannte: Gigapan.
Klingt irgendwie nach ner großen Bratpfanne, vielleicht sowas wie die Paella-Pfanne von Villa-Riba und Villa-Bacho ?
Dachte, wahrscheinlich ist das mal wieder sowas, das jedem modernen Menschen ausser mir schon längst geläufig ist und so ging ich der Sache nach, um meine Bildungslücke zu schliessen.
Was ich fand erinnerte mich sofort brühwarm an die Zoom-In-Szene im Bladerunner (ein SF-Klassiker), siehe
http://www.youtube.com/watch?v=qHepKd38pr0
Gigapans sind im Grunde Fotos mit einer Auflösung im Giga-Pixel-Bereich, die aber mit herkömmlichen Cams in Form von extrem vielen Einzelfotos aufgenommen werden und später zusammengesetzt werden.
D.h., man benötigt dazu eine mechanische Vorrichtung, welche zum einen den Aufnahmefokus der Cam präzise und genau definiert für jedes einzelne Foto ein kleines bischen weiter positioniert und die zum anderen irgendwie imstande ist, den Auslösemechanismus zu betätigen, notfalls auch mechanisch.
Auf diese Weise werden dann bis zu mehreren Tausend Fotos aufgenommen, die dann anschliessend zu einem großen Gesamtbild zusammengesetzt werden.
Doch halt, das stimmt nicht ganz, denn ein solches Giga-Pixel-Foto wäre ziemlich unhandlich für das Computer-RAM bei der Darstellung (und würde auch so nix bringen, denn soviele Pixel hat der Bildschirm gar nicht) und erst recht beim Download aus dem Internet.
Stattdessen handelt es sich beim Gigapan um ein (File-)Format, welches eine dreidimensionale Struktur beinhaltet, ähnlich einer Pyramide, bei der die einzelnen Stufen einer Zoom-Stufe entsprechen und bei der für jede dieser Stufen ein Bild in der genau passenden Auflösung bereits vorhanden oder vordefiniert ist.
Und zwar passend nicht nur zur Bildschirmauflösung, sondern auch passend zur jeweiligen Betrachterposition, denn ich kann in der Gigapan nicht nur rein und raus zoomen, sondern auch auf jeder Zoom-Stufe mit rauf,runter,rechts,links navigieren und benachbarte Betrachterpositionen ansteuern.
Und bekomme jeweils das genau passende Bild in einer sinnvollen Auflösung präsentiert, man bezeichnet diese Bilder auch als “Tiles” oder “Kacheln”.
Sehr gut und anschaulich ist diese Technik erläutert auf
Aber man kanns auch vereinfacht illustrieren durch einen Vergleich mit etwas, das jedem geläufig ist, nämlich mit Google-Maps.
Gleichwohl möchte ich den Betreibern der vorgenannten Website meinen Respekt zollen, da sie auch zu den Gigapan-Entwicklern gehören und weil sie noch einen neuen Aspekt in die Sache bringen: Während Google-Maps sich um den makroskopischen Bereich kümmert erforschen sie, wie sich diese Technik auch auf den mikroskopischen Bereich erweitern lässt, was natürlich insbesondere für Wissenschaft und Forschung ein ganzes Spektrum an neuen Möglichkeiten eröffnet.
Da sie dazu für die technische Umsetzung herkömmliche 3D-Drucker-Technologie verwenden fand ich es auch äusserst passend für diesen Blog – ist doch mal was anderes, als der dreimillionste Plastikskull
Und auch noch aus einem anderen Grund fand ich es sehr passend: Eigentlich gibt es ja noch gar keine Cams, die Bilder im Gigapixel-Bereich aufnehmen können. Und die für unsere Zeit üblichen Speichergrößen erlauben auch nicht, damit zu hantieren. Aber, unter Ausnutzung aller Aspekte, von der mechanischen Aufnahmevorrichtung bis hin zu der auf der jeweiligen Zoom-Stufe benötigten Auflösung ergibt sich insgesamt eine Anwendung, die funktioniert und locker anwendbar ist, sogar über das Internet. Hey, ich meine, unter
bekommt Ihr ein 270 Gigapixel großes Foto zu sehen, wenn Ihr ohne groß zu navigieren da einfach reinzoomt, dann seht Ihr im Hinterhof genau die Wäsche, die da jemand auf der Leine hat und rechts daneben eine Klimaanlage, auf der Ihr die Aufschrift “Hitachi” erkennen könnt. Wenn das nicht voll “Bladerunner-mässig” ist, dann weiss ichs auch nicht .
Ääähm … aber worauf ich eigentlich hinauswollte: 270 Gigapixel, soviel Speicher hat mein PC ja noch nicht mal annähernd. Aber obwohl sowas eigentlich noch gar nicht dem offiziellen Stand unserer Technik entspricht, war es unter Ausnutzung sämtlicher Tricks, Schliche und Seitenaspekte dennoch möglich, die Sache durchzuziehen und zu zeigen, das es dennoch heute schon machbar ist – wenn man es clever anstellt. Und “machbar” ist ja genau das Stichwort dieses Blogs – halt “MAKEable”
Da dieser Blog noch recht neu ist habe ich noch keine Erfahrungen damit, wie sinnvoll es ist, das geneigte Publikum mit derlei philosophischen Betrachtungen zu langweilen, aber, meinen Einsteigerbonus ausnutzend möchte ich gern noch eins draufsetzen. Schaut Euch mal folgende Gigapan an (die ist interaktiv):
Hier kommt jetzt, zusätzlich zu der “zirkulären Skala” (vgl. Rudy Rucker, 1989 : “Gödel, Zappa, Rock’n Roll”) noch eine weitere Dimension über Kreuz: nämlich die Zeit.
Man stelle sich einmal vor: Dieser Fisch schwamm vor 150 Millionen Jahren (!!!) in einem urzeitlichen “Jurassic”-Meer herum und dachte an nix Böses – und heutzutage sind wir imstande, so doll in ihn reinzu-zoomen, dass wir jede einzelne seiner Kammschuppen (oder Knochenschuppen ?) und sogar die feinen Riefen darauf sehen können.
Also, ich weiss nicht wie Ihr das seht, aber ich finde das verdammt beeindruckend – Kudos to Jay Longson vom NASA Ames Research Center und seinen Kollegen !
Diese Leute sind wirkliche Bladerunner, d.h., “they are running on the bleeding edge”
Nur eine kleine Sache fehlt noch zur kompletten Bladerunner-Tech: Deckard (Harrison Ford) steuert seinen Zoom-In-Computer über Sprachkommandos. Aber wir wollen nicht kleinlich sein.
PS: Hier noch ein anderes cooles Gigapan, speziell für Maker. Schaut Euch vor allem mal die rauhe Oberfläche des Atmel-Chips an – hättet Ihr gedacht das das Herz Eures Arduinos so rauh ist ?