Digitales Composite-Material vom MIT

Kürzlich erschien im renomierten Wissenschaftsmagzin “Science” eine Publikation von C.Cheung und N.Gershenfeld vom MIT-Zentrum für Atome und Bits, mit dem Titel “Reversibly Assembled Cellular Composite Materials”, zu deutsch etwa “Reversibel zusammengesetzte zelluläre Verbund-Materialien”.

digital_materialsDigitale Composite-Material Elemente aus Carbonfaserverstärkten Polymere bilden ein Zweikomponenten-Baukastensystem
(c) AAAS, C.Cheung

Was steckt dahinter ? Grob einordnen kann man das Ganze in die Rubrik “Digitale Materialien”. Dabei geht es nicht nur um die Materialien selbst, sondern vielmehr umfasst dieser Begriff eine Konzeption und Betrachtungsweise, wie Materialien auf “zellulärer” Ebene zu komplexeren Strukturen zusammengesetzt werden können und – als Gegenstand der Forschung – welche Vorteile dies möglicherweise mit sich bringt.

Das Prinzip an sich ist nicht neu, sondern entspricht, plakkativ dargestellt, etwa einem Haus, das aus einzelnen Ziegelsteinen zusammengesetzt wird, oder sowas wie Lego, oder dem Eiffelturm. Neu ist vielmehr die Betrachtung (und das ausloten der Leistungsfähigkeit) dieses Prinzips im Zusammenhang mit modernen Werkstoffen wie z.B. Carbonfasern, aber vor allem auch die Einbeziehung des Herstellungsvorgangs (“Fabbing”) und der dazu benötigten Maschinen bzw. kleinen Herstellungsrobotern (“Assembler”).

Konträr dazu wären “analoge” Verfahrensweise zu sehen, d.h., die Herstellung von Strukturen aus Materialien erfolgt bislang entweder “additiv” (z.B. 3D-Printer) oder “substraktiv” (= “span-abhebend”, z.B. CNC-Fräse).

Die “digitale” Verfahrensweise hingegen findet auf “zellulärer” Ebene statt, indem ein kleiner Roboter aus möglichst wenigen, also z.B. nur zwei verschiedenen Grundelementen große Mengen oder Massen an “Struktur” erzeugt, die dann natürlich in eine entsprechende Form gebracht wird, entweder gleich beim primären Herstellungsprozess selbst, oder durch Herstellung von makoskopisch zusammensetzbaren Modulen.

Das klingt vielleicht zunächst etwas banal, bietet aber wichtige Vorteile z.B. im Hinblick auf Herstellungsverfahren im Nano-Bereich – diesbezüglich gibt es übrigens viele Beispiele, in denen die Natur ähnlich verfährt, z.B. beim Aufbau der Knochenstruktur.

Die zwei wichtigsten Vorteile sind:

1. Einfache (also relativ ungenaue) Positionierung, die aber dennoch zu hochgenauen Resultaten führt – eben das klassische Baukastensystem (“Tinker-Toy”). Der Fokus des Assembler-Roboters kann relativ eingeschränkt sein, er muss eigentlich nur wissen, wie er zwei Grundelemente zu verbinden hat und die Poisitionierung muss dabei nur grob (also “Digital”) vorgegeben werden.

2. Bessere Fehlererkennung (und damit Korrekturmöglichkeit); innerhalb eines digitalen Rasters ist einfacher zu erkennen, wenn etwas nicht richtig an Ort und Stelle sitzt.

Jeder der schon einmal einen 3D-Drucker gebaut hat weiss, wie aufwendig und mühevoll es ist, diesen einigermaßen gut zu kalibrieren, wobei die optimalen Einstellungen obendrein noch in Abhängigkeit von der Größe und Komplexität des herzustellenden Teils erheblich variieren können. Der Fokus des 3D-Druckers ist dabei der gesamte umspannte Produktionsraum, üblicherweise in der Größenordnung von 20x20x10cm. Das klingt zunächst nach einem relativ kleinen Volumen, es ist aber tatsächlich geradezu gigantisch im Hinblick darauf, dass man eine möglichst hochaufgelöste Präzision und Positionier- und Wiederholgenauigkeit erzielen möchte. Wünschenswert wäre dabei ein hundertstel-mm-Bereich realistisch ist aber eher ein zehntel-mm-Bereich. Und selbst diese Positionierungs-Auflösung ist im Rahmen der Dimensionierung des Produktionsraumes schon gar nicht so einfach zu erreichen, wenn man Fehlerquellen wie Kugellagerspiel, Backlash, Federung der Rahmenkonstruktion und vieles mehr mit in Betracht zieht.

Schlimmer noch: Alle während eines langandauernden Druckes erfolgten Fehler akkumulieren sich. Und hier genau setzt sozusagen das “digitale” Prinzip an: Der Assemblierungsroboter kann relativ einfach (d.h.: grob) abzählen, wo er sich gerade befindet und wenn die zu verbindenden Elemente erst einmal “eingerastet” sind, dann sitzt alles hochgenau an Ort und Stelle. Man konzentriert also quasi den Positionierungsaufwand auf einen um mehrere Größenordnungen kleineren Bereich. Und spätestens im Nano-Bereich wird eh alles “digital”, weil man hier anfängt, einzelne Atome zu zählen.

Wenn dann auch noch moderne Werkstoffe wie Carbonfaser-verstärkte Polymere mit ins Spiel kommen dann kann das Resultat erstaunlich gute Eigenschaften aufweisen in punkto Elastizität (und Verformbarkeit, Dehnbarkeit) aber auch Gewicht!

Ausserdem sind solche Eigenschaften programmierbar indem man an bestimmten Stellen andere Grundelemente postioniert – die Eigenschaften können somit Orts- und Lage-abhängig definiert und implementiert werden.

Also, alles in allem ist dies ein vielversprechender Denkansatz der gezielt die Vorteile des modernen Fabbings mittels 3D-Druckern (oder kartesischen Herstellungs-Robotern) aufgreift, aber dann konsequent erweitert. Recht illustrativ ist diese Präsentation

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