Shirakawa-go: Japanische Fachwerkhäuser, damals und heute

Hab grad ne nette Doku über alte Bauernhäuser in dem historischen japanischen Dorf Shirakawa-go gesehen. Dieses Dorf zählt mit zum UNESCO-Weltkulturerbe, weil sich dort der Baustil und die Architektur alter japanischer Bauernhäuser bis heute zu einem großen Teil noch erhalten hat.

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Besonders interessant ist, wie die aufwändige Arbeit des Strohdach-Deckens als Community-Projekt bewältigt wird, so etwa hier, ab Minute 17:00 (Doku) .

Dabei sind rund 400 Leute gleichzeitig im Einsatz, also damals wahrscheinlich fast das halbe Dorf – und völlig unentgeltlich. Was auch Sinn macht, denn irgendwann muss jeder mal sein Haus neu decken und freut sich, wenn ihm dann die anderen auch helfen. Gleichzeitig wird dadurch auch das Gemeinschaftsgefühl und die Verbundenheit innerhalb der Community gestärkt, denn jemand, der mir bei so einer Aktion mal geholfen hat, den kann ich nicht wirklich hassen (auch wenn er mich mal nerven sollte) sondern der ist mein Freund ;) Und das gilt nicht nur für Japan, sondern ist in allen ländlichen Bereichen Gang und gäbe … auch in Deutschland wurden noch vor wenigen Generationen Strohdachhäuser oft im Rahmen einer solchen Gemeinschafts-Aktion gedeckt.

Hier noch eine andere Dokumentation, welche u.a. auch die Struktur solcher Häuser erklärt (Doma, Hiroma, Zashiki). Was ich daran besonders faszinierend fand: Im Grunde sind unsere alten Fachwerkbauernhäuser (z.B. das sog. “Niederdeutsche Hallenhaus”) nach ganz ähnlichen Gesichtspunkten organisiert (Deele, Flett, Schlafkammern und Wohnstube)”). Dieses ist insofern bemerkenswert, als das Japan als Insel ohnehin schon relativ isoliert ist und sich im 16. u. 17. Jahrhundert mal eben für 250 Jahre total abgeschottet hat. D.h., die Strukturen haben sich gewissermaßen eigenständig in einer Art evolutionärem Prozess entwickelt, anhand praktischer Gesichtspunkte und unabhängig vom Rest der Welt.

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In europäischen alten Bauernhäusern finden wir nun analoge Strukturen, d.h., das Grundprinzip ist ähnlich, jedoch gibt es im Detail kleine Unterschiede die den lokalen Gegebenheiten geschuldet sind, zB. verwenden die Japaner Bambus als Dachlatten statt Eiche und für die Dachbedeckung wird Reisstroh statt Weizenstroh verwendet usw. Wenn aber davon abgesehen ansonsten ganz ähnliche Prinzipien entstanden sind und zwar völlig unabhängig voneinander (die alten japanischen und europäischen Bauern haben nie was voneinander gehört und sich niemals über Häuserbau unterhalten), dann bedeutet das wohl, das solche Strukturen tatsächlich in einem objektiven Sinne als optimal angesehen werden können.

Etwa ab Minute 7:40 werden die Deckenbalken gezeigt. Diese sind nicht gerade, sondern mit Kurven und Windungen versehen, die dem natürlichen Wuchs des jeweiligen Baumes entsprechen. Das ist ein sehr cleverer Schachzug, weil dadurch der Balken das volle Faserbündel des Baumes enthält, d.h. insbesondere keine angeschnittenen Fasern wie bei einem geraden Balken. Dadurch sind die Balken wesentlich stabiler und gleichzeitig auch etwas elastischer und somit sind sowohl längere als auch dünnere Balken möglich.

Bei der europäischen Bauweise mit geraden Balken hingegen würde man, um gleiche Stabilität zu erzielen, weeesentlich dickere Balken benötigen. Hier mal zum Vergleich ein Bild von den Deckenbalken im Wirtschaftsgebäude unseres Bauernhofes:

Zum Vergleich: Deckenbalken in einem niederdeutschen Hallenhaus, aus Eiche.

Zum Vergleich: Deckenbalken in einem niederdeutschen Hallenhaus, aus Eiche.

Wie man sieht sind das sehr mächtige Balken, mit einer Kantenlänge von ca. 30 x40 cm. Dazu braucht es schon eine sehr dicke Eiche und wer die knorrig-geschwungene Wuchsform von solchen dicken alten Eichen kennt, der kann nachvollziehen, das man bei einer solchen Balkenstärke keine besonders langen Balken herausbekommt – und unsere Balken sind immerhin ca. 7m lang. Die mangelnde Länge wird allerdings konstruktiv kompensiert, indem die Balken das Mittelschiff überdecken und auf dem Rähm aufliegen, welches breit genug ist, dass eine anschliessende Verlängerung ebenfalls dort aufliegen kann, d.h., der Deckenbalken besteht also aus drei Teilen, wobei die Stöße jeweils auf dem Rähm aufliegen.

In der japanischen Bauweise hingegen sind die Balken wesentlich länger und durchgehend und wie gesagt nicht gerade, was sicherlich höhere Ansprüche an die handwerklichen Fähigkeiten der Zimmerleute stellt. Ausserdem werden eher Nadelhözer verwendet, die deutlich leichter sein dürften als Eiche und auch schneller nachwachsen.

Bei uns hingegen sind die Eichenwälder, die in früheren Jahrhunderten in Europa die vorherrschende Waldform darstellten, radikal abgeholzt worden :( Unser Wirtschaftsgebäude ist schon sehr alt und stammt vermutlich aus dem 15. Jahrhundert, also aus einer Zeit, als es diese Eichenwälder noch gab. Insofern profitiere ich quasi auch noch mit von der damaligen Abholzung der Eichenwälder. Ich denke aber, ich muss kein allzu schlechtes Gewissen deswegen haben, denn solange es nur um den Bau von Häusern geht, die zig Jahrhunderte überdauern, lässt sich mit einer nachhaltigen Forstwirtschaft der Verlust problemlos ausgleichen. Sagen wir, die Eiche braucht rund 100 Jahre um zu wachsen, aber das Haus hält 600 bis 800 Jahre. Passt also.

Die Haupt-Ursachen für den damaligen Kahlschlag liegen m.E. woanders: Zum einen wurden in früheren Jahrhunderten Unmengen von Holz zum Bau von Schiffsflotten wie auch aller möglichen anderen Arten von Kriegsgerät benötigt. Aber so richtig krass wurde es dann wohl mit dem Aufkommen der Eisenbahnen. Ich hörte neulich mal irgendwo, dass für anderthalb Km Gleise rund 2000 Eichen benötigt wurden und das kann auch ungefähr hinkommen, wenn man bedenkt, dass man aus einer Eiche Material für ca. 3 Schwellen rauskriegt.

Aber zurück zu den alten Fachwerk-Bauernhäusern. Was die betrifft, so kann man wohl als Fazit festhalten, das es zwischen Japan und Europa auffallende Gemeinsamkeiten in der Grundstruktur gibt, aber auch kleine Unterschiede bezüglich der konstruktiven Details, die von den Japanern teilweise sehr clever und elegant ausgeführt werden. Und das gilt auch für andere Bereiche des Holzhandwerks.

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